17. Juli 2023

Biotech und Pharma-Start-ups – Vom Labor zum Produkt

Life-Science Start-up im Biotech und Pharma Bereich befinden sich in einer spannenden Nische, die einerseits von der akademischen und klinischen Forschung und andererseits vom Entrepreneurship geprägt ist. Der weit verbreitete Silicon Valley Leitsatz “move fast and break things” verliert hier seine Anwendungsgrundlage und doch ist Biotech ein Sektor, dessen größtes Wachstum uns noch bevorsteht und in den nächsten Jahrzehnten alle unsere Lebensbereiche beeinflussen, wenn nicht revolutionieren wird.

von Luise Pinske

Die Farben der Biotechnologie

Um einen kurzen Überblick über die Vielfalt der Anwendungsgebiete von Biotech zu bekommen, bieten sich die verschiedenen Zweige der Biotechnologie an.

Rote Biotechnologie
Die rote Biotechnologie verbindet die Pharmabranche mit der medizinischen Biotechnologie. Für Start-ups kann sie ein sehr interessantes Gebiet sein, da ein breites Feld an Krankheiten existiert, für die es bis jetzt keine Heilungschancen oder nur wenige Behandlungsoptionen gibt.

Dabei umfassen die Themen für medizinische Biotech-Startups alles von Stammzelltherapien, Tissue Engineering & 3D-Organdruck, Gentherapien, Mini-Organe – sogenannte Organoide für bessere Medikamententests und die Entwicklung von neuen Medikamenten selbst.

Grüne Biotechnologie
Pflanzenbiotechnologie entwickelt genetisch modifizierte Pflanzen, die z. B. mehr Erträge bringen oder resistenter gegenüber Krankheiten, Dürre- und Hitzeperioden sind. So kann die Ernährungssicherheit auch in Zeiten von Klimawandel und Extremwetterereignissen erhöht und dabei der ökologische Fußabdruck der Landwirtschaft verringert werden.

Beispiele dafür sind Hybridarten mit höheren Erträgen oder die Entwicklung vollkommen neuer Arten.

Gelbe Biotechnologie
Ein Teil der gelben Biotechnologie, “cellular agriculture”, beschäftigt sich mit der Entkopplung unserer Lebensmittel von tierischen Quellen bzw. der Produktion von tierischen Produkten aus Zellkulturen.

Dabei werden verschiedene tierische Proteine, wie Milch oder Ei-Bestandteile, oft ähnlich wie Bier in einem Fermentationsprozess mithilfe genetisch modifizierter Hefen hergestellt.

Auch Fleisch und Fisch können aus Zellkulturen herangezüchtet werden, sodass man heute schon in Singapur die ersten Chicken-Nuggets essen kann, für die keine Hühner mehr geschlachtet werden müssen.

Weiße Biotechnologie
Der Fokus der industriellen Biotechnologie liegt auf der Herstellung verschiedener Produkte mithilfe von Bioengineering und Gentechnik. Meist werden Bakterien, Hefen oder einzelne Enzyme in zellfreien Systemen genutzt.

Dabei ist die Produktpalette sehr weit gefächert und reicht von der Herstellung von Bioethanol, Vitaminen und Waschmittelenzymen bis zu Hormonen.

Ein Produkt aus diesem Gebiet, welches sich in fast jeder Küche befindet, ist Zitronensäure. Diese wird schon seit 1913 biotechnologisch mithilfe von Pilzkulturen hergestellt.

 

Mooresches Gesetz vs. Carlson-Kurve

Die Biotechnologie selbst ist ein wachsender Bereich, der durch leistungsstärkere Technik immer zugänglicher wird.

Dies lässt sich an den grundlegenden Verfahren, dem “Lesen und Schreiben” der DNA, der DNA-Sequenzierung und Synthese, erkennen.
Die Sequenzierung des ersten menschlichen Genoms hat Anfang der 2000er Jahre noch ca. 500 Millionen Dollar gekostet.1

Dabei überholt diese Entwicklung das bekannte Mooresche-Gesetz aus der Computertechnik, das eine regelmäßige Verdopplung der Transistorendichte besagt. Die Carlson-Kurve ist das biotechnologische Äquivalent und verdeutlicht die an einigen Stellen exponentielle Abnahme der Kosten von der Synthese und Sequenzierung.

Entwicklung der Kosten für Genomsequenzierung in den letzten 20 Jahren, im Vergleich mit dem Mooresches Gesetz.2

Besondere Herausforderungen für Start-ups im Biotech-Sektor 

Biotechnologische Start-ups stehen jedoch auch vor besonderen Herausforderungen. Im Vergleich zu vielen anderen Start-ups haben sie eine hohe Einstiegsbarriere, was nicht nur an dem benötigten Fachwissen liegt.

Das richtige Team
Der Erfolg jedes Start-ups hängt nicht nur von einer gut ausgearbeiteten Idee, einem Businessplan und ausreichendem Funding ab, sondern auch zu einem Großteil von den Fähigkeiten des Teams.

Viele junge Start-ups haben Schwierigkeiten, die richtigen Mitarbeiter zu finden, was bei Biotech-Startups besonders ausgeprägt ist.

Mitarbeiter, die vor allem in den frühen Stadien des Start-ups sowohl die naturwissenschaftliche als auch geschäftliche Seite meistern können, sind oft schwierig zu finden.

 

Hohe Investments und lange Entwicklungszeiten
Besonders in der Pharmabranche sind vergleichsweise hohe Investmentsummen und lange Entwicklungszeiten die Norm. Aktuell kostet die Entwicklung eines neuen Medikaments im Durchschnitt 2,6 Milliarden Dollar und dauert ungefähr 10 Jahre.3 Auch gibt es keine Garantien auf Erfolge – ein potenziell neues Medikament kann alle klinischen Studien erfolgreich durchlaufen haben und trotzdem an der Zulassung scheitern. Einen solchen Verlust an Ressourcen können größere Pharmaunternehmen ausgleichen, für Start-ups kann dies aber schnell das Ende bedeuten.

Allgemein nimmt die Forschung aufgrund ihrer komplexen Natur einige Zeit in Anspruch. Dies kann insbesondere für Start-ups mit limitierten Ressourcen schnell schwierig werden.

Kurze Patente und Marktexklusivität
Neue Wirkstoffe müssen schon früh während ihrer Entwicklung patentiert werden. Dadurch schrumpft die theoretische Patentdauer von 20 Jahren schnell auf 12 Jahren zusammen, bis das neue Medikament tatsächlich auf dem Markt ist.4

Auch folgen auf „First-in-Class“-Medikamente (Medikamente, die einen neuen und einzigartigen Wirkmechanismus haben) nach ca. 2,5 Jahren die ersten konkurrierenden Produkte mit ähnlichen Mechanismen.5

 

Ein Blick in die Zukunft 

Die Biotech- und Technologiesektoren sind eng miteinander verbunden und bilden jetzt schon viele Synergien, die die Entwicklung in beiden Bereichen in den nächsten Jahrzehnten noch verstärken werden.

KI, computergestütztes Design und Simulationen
Bioinformatik beeinflusst alle Zweige der Biotechnologie und ist ein wichtiges Werkzeug zur Entwicklung neuer Verfahren.

Das Computer-aided drug design (CADD) hilft bei der Analyse neuer potenzieller Medikamentkandidaten, um so die Dauer und Kosten zu senken.

Schon heute sind Programme wie AlphaFold6 und YASARA, Alltag in vielen Experimenten.

Verbesserungen von AlphaFold2 im Vergleich zu vorherigen Jahren im CASP14 (Critical Assessment of protein Structure Prediction); ein Wettbewerb zur technischen Vorhersage von Proteinstrukturen7

Verbesserungen von AlphaFold2 im Vergleich zu vorherigen Jahren im CASP14 (Critical Assess-ment of protein Structure Prediction); ein Wettbewerb zur technischen Vorhersage von Proteinstruk-turen7

Umso höher die Rechenkapazität neuer Computer werden, desto besser können sie die komplexen Daten der Experimente verarbeiten und genauere Ergebnisse liefern.

Auch werden durch das digitale Design erhebliche Entwicklungskosten gespart, sodass erste vielversprechende Prototypen im Labor getestet werden.

Big Data Analytics 
Big Data Analytics ist besonders in der Medikamentenentwicklung und bei der Auswertung der Daten aus der Genomforschung wichtig. So können sowohl Zusammenhänge zwischen Mutationen und Gensequenzen mit Krankheiten als auch die individuelle Wirkung von spezifischen Medikamenten aufgedeckt werden.

Robotik und Cloud Lab
Auch in vielen Laboren findet vermehrt Automatisierung statt. In sogenannten “Cloud Labs” können viele Experimente autonom oder ferngesteuert ablaufen, was personelle Ressourcen schont und je nach Experiment auch genauere Daten liefert.

 

Gemeinsam treiben die technologische Weiterentwicklung und neue Erkenntnisse in der Biologie die Innovationen der Biotechnologie an und viele Möglichkeiten der Zukunft zeichnen sich gerade erst am Horizont ab.

“If the 20th century was the century of physics, the 21st century will be the century of biology” – Craig Venter

https://www.synbio-tech.com/gene-synthesis-cost/

https://www.genome.gov/about-genomics/fact-sheets/Sequencing-Human-Genome-cost

https://aacrjournals.org/cancerdiscovery/article/5/2/OF2/4765/Drug-Development-Costs-Jump-to-2-6-BillionDrug

https://www.pharma-fakten.de/

https://www.healthaffairs.org/doi/10.1377/hlthaff.2014.1047

https://www.deepmind.com/blog/alphafold-a-solution-to-a-50-year-old-grand-challenge-in-biology

https://www.darkdaily.com/2020/12/18/google-deepminds-alphafold-wins-casp14-competition-helps-solve-mystery-of-protein-folding-in-a-discovery-that-might-be-used-in-new-medical-laboratory-tests/

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